RCTs sind fabelhaft

Wirkung ohne Wirkstoff - der Placeboeffekt

Kontrolle ist besser

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Wege der Forschung

Kurz: Randomisierte, kontrollierte Studien sind der Goldstandard in der klinischen Forschung. Der entscheidende Punkt ist, dass die Patienten zufällig einer Testgruppe und einer Kontrollgruppe zugeteilt werden. Bei der Testgruppe wird die untersuchte Intervention durchgeführt, bei der Kontrollgruppe geschieht das nicht. Entweder erhält die Kontrollgruppe nur ein Placebo oder eine herkömmliche Standardbehandlung.

Hier geht es um Wege (Methoden) der Forschung. Mit den Methoden der Forschung werden die Informationen hervorgebracht. Dagegen dienen die Methoden der Recherche dem Auffinden bereits vorhandener Resultate.

Randomised Controlled Trials (RCT), auf Deutsch, randomisierte, kontrollierte Studien sind in der medizinischen Forschung der "Goldstandard". In der evidenzbasierten Medizin sucht man selbstredend zunächst nach den besten Studien, warum sollte man sich auch mit etwas Zweitklassigem abgeben? Das wäre für die Patienten und die Ärzte schlecht. Und es wäre vertane Zeit.

Worum geht es bei randomisierten, kontrollierten Studien?

Es ist einfach. Am besten diskutieren wir es anhand der drei Worte des Namens, allerdings in umgekehrter Reihenfolge:

Studien - Randomized Controlled Trials

Die Studie, die Untersuchung, soll klären, ob ein Verfahren wirksam ist. Man möchte möglichst gute Beweise ermitteln. Aber der Nachweis eines Effektes reicht nicht.

Der Effekt könnte lediglich auf der Suggestivkraft einer Behandlung beruhen. Die psychologische Wirkung einer Behandlungssituation wird als Placeboeffekt bezeichnet. Man kann den Placeboeffekt selbst auch testen, beispielsweise indem den Patienten der Testgruppe in einer Behandlungssituation (Arzt in weißem Kittel mit Stethoskop um den Hals - nur als Beispiel) ein Medikament, z. B. Tropfen, verschrieben werden. Die Kontrollgruppe wird nicht behandelt, d. h. kein Arztkontakt, keine Tropfen, kein Zuspruch einer medizinischen Autorität ... In den Tropfen, die der Testgruppe in diesem Beispiel verschrieben werden, ist kein Wirkstoff. In einer Vielzahl von Studien zeigt die Behandlung auch ohne wirksames Medikament einen Effekt. Placebo heißt auf Latein "ich gefalle". Der Effekt ist als Placeboeffekt bekannt. Das Schein-Medikament, ohne Wirkstoff, heißt Placebo. Die Angelegenheit lässt sich auf die Formel bringen:

Wirkung ohne Wirkstoff.

Diese Formel sagt etwas Bedeutendes. Es gibt eine reale Wirkung, die Wirkung ist nicht lediglich eingebildet, auch wenn psychologische Mechanismen bei ihrer Hervorbringung eine wesentliche Rolle spielen.

Der Placeboeffekt ist unabhängig vom tatsächlichen Wirkstoff. Ja er funktioniert auch dann, wenn z. B. eine Tablette nur mit Stärkemehl gefüllt, aber mit wichtiger Mine vom Professor für innere Medizin, neben Zuspruch und Zuwendung, verordnet wird. Da jeder Inhaltsstoff oder auch gar kein Inhaltsstoff den Placeboeffekt hervorbringen kann, muss er bei der Prüfung der Effektivität eines neuen tatsächlichen Wirkstoffes ausgeschaltet werden. Man kann allerdings nicht das Medikament ohne den Arzt verabreichen und den ganzen Placeboeffekt der Behandlungssituation einfach weglassen. Weglassen des Placeboeffektes geht also nicht. Was tun?

Kontrollgruppen - Randomized Controlled Trials

Die Lösung ist eine zweite Gruppe von Probanten (Patienten).

  1. Die Testgruppe ist die erste Gruppe.
  2. Die zweite Gruppe heißt Kontrollgruppe.

Beide Gruppen, die Testgruppe und die Kontrollgruppe, unterliegen in gleicher Weise dem Placeboeffekt. Damit das auch wirklich gut funktioniert, dürfen natürlich die Patienten, aber auch die behandelnden Ärzte, nicht wissen, ob sie das neue Medikament in der Testgruppe oder ein wirkungsloses Mittel (oder eine alte Standardbehandlung) in der Kontrollgruppe bekommen.

Ich weiß, dass das etwas komplex klingt. Keine Angst, es ist leicht:

  1. Testgruppe mit z. B. neuem Medikament (der Placeboeffekt ist bei jedem Medikament, und übrigens auch bei anderen medizinischen Interventionen, vorhanden)
  2. Kontrollgruppe ohne das neue Medikament, entweder mit Standardbehandlung, oder mit wirkungsloser Medikamentenatrappe, heißt "Placebo". Aber es ist ganz wichtig, zu begreifen, dass auch in der Testgruppe, in der kein "Placebo" gegeben wird, der "Placeboeffekt" in der gleichen Weise auftritt. Nochmals:

Testgruppe mit

Kontrollgruppe mit

Man sieht deutlich, dass der Placeboeffekt in beiden Gruppen, in der Testgruppe und in der Kontrollgruppe auf gleiche Art vorkommt. Ein Unterschied im Ergebnis zwischen den beiden Gruppen kann also auf die zu untersuchende Intervention zurückgeführt werden. Indem der Placeboeffekt in beiden Gruppen in gleicher Stärke auftritt, ist er sozusagen neutralisiert. Damit das auch wirklich funktioniert, müssen sowohl die Patienten wie auch die direkt behandelnden Ärzte in Unkenntnis sein, um welche Gruppe und damit um welches Medikament es sich jeweils handelt. Man nennt das "Verblindung" und zwar "doppelte Verblindung", weil Patienten und Ärzte nicht informiert, also "blind", sind. Beide wissen nicht welcher Proband in welcher Gruppe ist und beide wissen nicht ob das neue Medikament verabreicht wird, oder ein altes oder ein Scheinmedikament (Placebo). Studien nach diesem Kriterium heißen "Doppelblindstudien".

Neben der Ausschaltung des Placeboeffektes hat die Aufteilung der Patienten in Test- und Kontrollgruppe noch einen anderen bedeutsamen Effekt. Wenn in der Kontrollgruppe ein Standardverfahren (ein bereits vielfach bewährtes Medikament beispielsweise) angewandt wird, kann man beurteilen ob, und wenn ja in welchem Ausmaß das neue Verfahren das in der Testgruppe Anwendung findet, besser ist.

Diese Funktion der Bildung von Test- und Kontrollgruppen ist sehr einfach. Man kann zwei Interventionen miteinander vergleichen.

Randomisierung - Randomized Controlled Trials

Nun haben wir bereits zwei Bestandteile des Namens der randomisierten, kontrollierten Studien, von hinten beginnend nach vorne, geklärt. Bleibt noch die Randomisierung. Die Randomisierung bezeichnet die zufällige Aufteilung der Patienten, die an der Studie teilnehmen, zwischen Testgruppe und Kontrollgruppe. Der Zweck der Randomisierung ist unmittelbar einleuchtend. Man möchte verhindern, dass Patienten mit günstigeren Merkmalen sich in der Testgruppe überdurchschnittlich häufen. Überspitzt formuliert, will man verhindern, dass die fast schon Gesunden in die Testgruppe gelangen und die Fälle um die es nicht so günstig steht in die Kontrollgruppe [+]. Der Effekt der Randomisierung ist an ausreichend große Fallzahlen gebunden.

N-of-1 Randomized Controlled Trials

Auch wenn es möglicherweise für Verwirrung sorgen könnte, so dient es doch eher dem wirklichen Verständnis, wenn wir jetzt noch ein Studiendesign mit dem Gegenteil von großen Fallzahlen besprechen. Es handelt sich um randomisierte, kontrollierte Studien mit nur einem einzigen Patienten. Wo ist dann aber bitteschön die "Kontrollgruppe" und kann man denn überhaupt bei nur einem Patienten von einer "Testgruppe" sprechen?

Die Lösung ist die, dass der Patient bei einem Testdurchlauf sozusagen Testgruppe ist, beim nächsten, danach folgenden, ist er die Kontrollgruppe. Alle Durchgänge sind doppelverblindet, und damit weiß weder der Patient, noch der unmittelbare Behandler, ob es sich um die Test- oder die Kontrollintervention handelt. In der Regel sind mehrere Durchgänge nötig.

Das Resultat ist auf diesen besonderen Patienten maßgeschneidert, es ist seine ganz persönliche randomisierte, kontrollierte Studie. Und es kann mit allen Vorzügen des Studiendesigns gesagt werden, ob bei diesem Patienten die Testintervention, z. B. ein neues Medikament oder die Kontrollintervention besser ansprechen.

Die Schwierigkeit war ja schon bei unserem einführenden Beispiel zu ausreichend großen Fallzahlen zu erahnen. Wir haben dort gesagt, dass die fiktive Studie bei nur 182 Patienten der Testgruppe, aber dagegen bei 418 Probanten der Kontrollgruppe überdurchschnittliche Resultate zeigte. Die allgemeine Folgerung daraus ist: Die Mehrzahl der Patienten profitiert statistisch signifikant von der Kontrollintervention, das war die Standardmethode. Das ist völlig korrekt.

Aber was ist mit den 182 Patienten, bei denen die Ergebnisse mit der neuen Methode, die in der Testgruppe angewandt wurde, besser waren? Kann man besondere Eigenschaften ermitteln, die es ermöglichen im Voraus zu sagen, ob die neue Methode bei einem Patienten besser anschlägt? Anders formuliert, gibt es Merkmale der 182 Patienten, die sich von den restlichen 418 Patienten unterscheiden?

Wenn das nicht der Fall ist, dann wäre z.B. immer noch eine N-von-1 randomisierte kontrollierte Studie u. U. sinnvoll, um zu klären, ob der Patient eher für die neue Methode in Frage kommt.

Nicht möglich sind derartige Studien z. B. bei chirurgischen Eingriffen, natürlich kann man nicht erst so, dann anders und dann wieder so ... operieren. Bedingungen sind auch ein längerer Krankheitsverlauf, der einen solchen zeitlichen und finanziellen Aufwand sinnvoll erscheinen lässt. Zudem benötigt man Patienten, die sehr zuverlässig, einsichtig und geduldig sind. Des Weiteren braucht man ein versiertes Team, das derartige Studien durchführen kann und will. Mehr zu dieser, zugegebenermaßen sehr speziellen, Studienart finden Sie hier [4.].

Ich schreibe gerne darüber, weil dieses Studiendesign das eingangs erwähnte Problem der Urteilskraft des Verstandes näher in unserem Zusammenhang der evidenzbasierten Medizin und Zahnmedizin beleuchtet. Es ist erkennbar, welche Schwierigkeiten es macht, allgemeine Resultate auf die Behandlung eines einzelnen Patienten zu übertragen. Das aber genau ist die Herausforderung, vor der der praktisch tätige Arzt und Zahnarzt täglich immer wieder steht und die er meistern sollte.

Wir möchten hier dazu beitragen, dass er sie immer besser und besser meistern kann. Durch wachsendes Problembewusstsein, durch klareres Methodenverständnis und durch einfachere und schnellere Möglichkeiten an wissenschaftlich gesicherte Informationen heranzukommen, diese anzuwenden und die Anwendung kritisch zu würdigen. Das alles, in der Tat, zum Nutzen des jeweiligen Patienten und damit auch zum Nutzen des jeweiligen Arztes.

Referenzen:
  1. Benjamin Toth: Clinical trials in British medicine 1858 - 1948, with special
    reference to the development of the randomised controlled trial. Bristol 1998.

  2. The James Lind Library. Explaining and illustrating the development of fair tests of treatments in health care.
  3. Jürgen Windeler. Was ist der Placebo-Effekt? In: Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 8/2006.
  4. THERAPY AND VALIDITY. N of 1 Randomized Controlled Trials. Gordon Guyatt, Roman Jaeschke, and Thomas McGinn. In: Guyatt G. Users' Guides to the Medical Literature A Manual for Evidence-Based Clinical Practice. AMA 2002. Humana Press, Springer: 2006. 275-328.
  5. Rezensionen von [4.], darunter eine Rezension aus der DZZ 4/2003 in Engl.