Eigene Geschäfte

Faulheit & Feigheit

Fragen

Wer weiß Rat?

Spreu und Weizen

Referenzen

 

 

Portrai von Immanuel Kant

Immanuel Kant (* 22. April 1724 in Königsberg; † 12. Februar 1804 in Königsberg)

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Das eigene Geschäft des Patienten

Kurz: Patienten müssen sich schlau machen. Sie können dann selbst besser vorbeugen, finden besser die für sie selbst richtigen Behandler und die für sie richtige Behandlung, wenn es mit der Vorbeugung doch nicht so ganz geklappt hat. Aber sie müssen sich selbst kümmern, müssen sich informieren, aus verschiedenen Quellen, über unterschiedliche Auffassungen .... Und die Patienten dürfen die Sorge für ihre Gesundheit nicht dem Staat, der Krankenversicherung, den Ärzten und Zahnärzten allein überlassen.

Einleitend daher der kleine, längst verstorbene Mann aus Königsberg in Ostpreußen:

"Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines andern zu bedienen. Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung.

Faulheit und Feigheit sind die Ursachen, warum ein so großer Teil der Menschen, nachdem sie die Natur längst von fremder Leitung freigesprochen (naturaliter maiorennes), dennoch gerne zeitlebens unmündig bleiben; und warum es anderen so leicht wird, sich zu deren Vormündern aufzuwerfen. Es ist so bequem, unmündig zu sein. Habe ich ein Buch, das für mich Verstand hat, einen Seelsorger, der für mich Gewissen hat, einen Arzt, der für mich die Diät beurteilt usw., so brauche ich mich ja nicht selbst zu bemühen. Ich habe nicht nötig zu denken, wenn ich nur bezahlen kann; andere werden das verdrießliche Geschäft schon für mich übernehmen." [Kant: AA VIII, Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung? Zeitschrift: Berlinische Monatsschrift 04 (Dezember) S. 481-494.]

Ich wiederhole noch einmal die Worte: "... habe ich ... einen Arzt, der für mich die Diät beurteilt usw., so brauche ich mich ja nicht selbst zu bemühen. Ich habe nicht nötig zu denken, wenn ich nur bezahlen kann; andere werden das verdrießliche Geschäft schon für mich übernehmen."

Pustekuchen, falsch gedacht, denn die "anderen", die "das verdrießliche Geschäft" für mich schon übernehmen werden, betreiben in erster Linie ihr eigenes Geschäft. Das ist der springende Punkt. Seine eigenen Interessen kennt und verfolgt man am geschicktesten selbst.

Fragen

Wer nicht fragt, bekommt keine Antwort. Wer blöde Fragen stellt, bekommt ... Wer gute Fragen stellt, hat schon die halbe Antwort. Also sollte sich der Patient überlegen und am besten auch aufschreiben, was er denn nun eigentlich wissen will, was ihn interessiert. Er kann, und sollte das sogar so laienhaft machen, wie er es versteht. Er sollte nicht eine nur halb verdaute medizinische Fachsprache verwenden, in der er sich lediglich verheddert. Frei, wie ihm der Schnabel gewachsen ist, sollte er notieren, was er wissen will.

Wer weiß Rat?
Wie trennt man den Weizen von der Spreu?

Jeder wird, ob er will oder nicht, ob er selbst aktiv sucht oder ob er als "Zielgruppe" gefunden wird, mit Werbung und mehr oder weniger sachlichen Informationen zu Gesundheitsthemen und besonders auch zur Zahngesundheit überschüttet. Patienten, wie auch die Ärzte, müssen Sinn von Unsinn trennen. Sie müssen zwischen wahren Aussagen und Verdrehungen und Manipulation unterscheiden.

Eine schöne Internetseite hierzu ist discern. Discern heißt auf Deutsch unterscheiden, also die Spreu vom Weizen trennen. Es gibt mittlerweile auch eine deutsche Referenzseite zum englischen Original.

Die Seite discern stellt Kriterien auf, um aus der Perspektive der Patienten (health consumers) Informationen zu bewerten, d.h. die Spreu vom Weizen zu trennen.

Insgesamt sind es 15 Gesichtspunkte und als sechzehnter Punkt eine zusammenfassende Bewertung der jeweiligen Informationsquelle.

Die erste Fragengruppe richtet sich an die Zuverlässigkeit der Veröffentlichung. Die Fragen sind:

  1. Sind die Ziele der Publikation klar? Ist es deutlich erkennbar, worum es geht?
  2. Werden die Informationsziele erreicht? Ist der Patient nachher bezüglich der jeweiligen Frage bedeutend klüger als vorher?
  3. Ist die Behandlung des Themas realistisch und angemessen?
  4. Sind die Informationsquellen, aus denen die Publikation schöpft, angegeben?
  5. Ist das Datum der Informationen angegeben? Medizinisches Wissen hat leider nur eine begrenzte Haltbarkeitsdauer und ist schnell überholt.
  6. Sind die Informationen ausgewogen und bestehen keine einseitigen Interessen, die zu einer unsachlichen Beeinflussung führen (bias)?
  7. Werden zusätzliche Informationsquellen genannt?
  8. Werden Unsicherheiten und Bereiche genannt, in denen noch zu wenig Erkenntnisse vorliegen?

Die zweite Sektion von Fragen beschäftigt sich mit Behandlungsalternativen:

  1. Wird beschrieben, wie die jeweiligen Behandlungen funktionieren?
  2. Werden die Vorteile der Behandlungsmöglichkeiten geklärt?
  3. Werden die jeweiligen Risiken erörtert?
  4. Wird geklärt was passiert, wenn man gar nichts tut (Frage der Prognose bei Nichtbehandlung)?
  5. Wird der Einfluss der Behandlungsmöglichkeiten auf die allgemeine Lebensqualität (Wohlbefinden, Arbeitsfähigkeit, Genussfähigkeit ...) dargestellt?
  6. Wird geklärt, dass es häufig mehr als eine Behandlungsmöglichkeit gibt?
  7. Wird die gemeinsame Entscheidung von Arzt und Patient über den Behandlungsverlauf unterstützt (shared decicion-making)?
  8. Zusammenfassend soll als letzter und sechzehnter Punkt die Qualität der Informationsquelle im Gesamten bewertet werden.

Als Kommentar zu dieser sehr guten Aufstellung von Qualitätskriterien sei nur erwähnt, dass die Diagnostik, also das richtige Erkennen der Erkrankung nicht gewürdigt wird. Das aber erscheint notwendig, denn viele Fehler werden nicht bei der Behandlung, sondern beim Nichterkennen oder dem zu späten Erkennen von Krankheiten gemacht. Leider werden auch nicht zu selten die Befunde und Beschwerden des Patienten einer falschen Krankheit zugeordnet (Fehldiagnosen).

Eine weitere Möglichkeit im Informationsdschungel die wichtigen Inhalte herauszufiltern sind Qualitätssiegel oder Gütesiegel. Aus der allgemeinen Warenkunde sind solche Siegel vielfach bekannt (z. B. hat die EU ein EU-Biosiegel für entsprechende Lebensmittel - übrigens kein sehr strenges Qualitätssiegel).

Für Gesundheitsinformationen gibt es unter anderem das Zertifikat der Health on The Net Foundation. Dieses Zertifikat hat die Internetseite des Deutsches Netzwerk Evidenzbasierte Medizin e. V.. Es wird dadurch bescheinigt und überprüfbar gemacht, dass die betreffende Information mit dem HONcode übereinstimmt.

Der "HONcode" wiederum besteht aus acht Prüfsteinen:

  1. Wird die fachliche Qualifikation des Autors dargelegt?
  2. Die Informationen sollten nicht die Arzt-Patient-Beziehung ersetzen wollen, sondern sie lediglich ergänzen.
  3. Ist der Datenschutz für persönliche, vertrauliche, private ... Daten gewährleistet?
  4. Werden die Quellen für die Information genannt und korrekt zitiert?
  5. Werden die Informationen besonders zu den Vorteilen von Behandlungen oder Produkten durch wissenschaftliche Belege gestützt?
  6. Sind die Informationen transparent und nachprüfbar. Ist der Autor, sind die Autoren der Informationen klar und einfach zu erkennen? Gibt es Kontaktmöglichkeiten?
  7. Werden die finanziellen Interessen offen gelegt? Wird die Absicht finanzielle Gewinne zu erzielen klar genannt? Werden Geldquellen vollständig und klar bezeichnet?
  8. Werden Anzeigen von der eigenen Information leicht erkennbar getrennt?

Ich bitte diese langen Listen von Kriterien und Fragen zu entschuldigen. Aber es werden Prüfsteine benötigt, anhand derer das eigene Urteil gebildet werden kann. Selbstverständlich ist auch die Formulierung eigener Qualitätsmerkmale wünschenswert.

Referenzen:
  1. Kant, Immanuel: AA VIII, Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung? Zeitschrift: Berlinische Monatsschrift 04 (Dezember) S. 481-494.
  2. Türp, J. C., Antes, G.EbM-Splitter 21 Immanuel Kant: Selbst denken! Dtsch Zahnärztl Z 59: 299-300 (2004)
  3. discern online. quality criteria for consumer health information
  4. Health on The Net Foundation
  5. Motschall E, Türp JC, Antes G: EbM-Splitter: Medline & mehr: Welche Datenbank ist für die Literatursuche in der Zahnmedizin geeignet? (Teil 4). Dtsch Zahnärztl Z 2007; 62: 774-777